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Ehrliche Anbetung
Ehrliche Anbetung
01.05.2020 | Rubrik: Persönlich | 2.5 Minuten Lesezeit | Autor: Josias Burgherr

Ich erinnere mich noch gut an meine Abschlussprüfung in Französisch, damals in der Oberstufe. Je näher diese Prüfung kam, desto mehr schien mir meine Unsicherheit in Bezug auf diese Sprache ins Gesicht geschrieben zu sein. Denn meine Freunde versuchten mir Mut zu machen: «Du musst einfach reden, dann kommt das schon gut. Nur keine Hemmungen». Nun, der Tag der Prüfung kam und ich befolgte ihren Rat.

Die Expertin stellte mir Fragen und ich antwortete. Um ehrlich zu sein, ich hatte keinen blassen Schimmer, was sie fragte. Aber ich erkannte immerhin, dass es französisch war. Insofern wusste ich zumindest, dass es wohl angebracht wäre, in derselben Sprache zu antworten. Das tat ich auch. Unwissend, was ich genau antwortete. Immerhin klang es französisch. Ich fühlte mich mit jeder Frage und Antwort etwas besser, den ich tat, was ich tun musste. Nämlich das, was mir meine Freunde empfohlen hatte: Ich redete einfach. So ging ich erhobenen Hauptes aus der mündlichen Prüfung heraus.

Die Tatsachen sprachen aber bald gegen mich. Und dies exakt ab dem Tag, als die Resultate bekannt wurden. Ich bekam eine schlechte Note. Eine sehr schlechte Note. Ich wusste gar nicht, dass solch schlechte Noten überhaupt legal waren. Bisher war ich der Meinung, Lehrer hätten einen heimlichen Ethik-Kodex, dass eine bestimmte Notenzahl nicht unterschritten würde. Denkste! Die Expertin hatte offensichtlich nicht dieselbe hohe Meinung von meinen Französischversuchen wie ich.

Was war das Problem? Das lässt sich relativ einfach benennen: Mein Französisch-Wortschatz. Und im selben Mass auch die mässige Fähigkeit, die richtigen Wörter zur richtigen Zeit in der richtigen Reihenfolge zu bringen. Ich wusste nicht, wie ich mich ausdrücken sollte und so versuchte ich, mit den immer gleichen Wörtern und Floskeln Zeit zu schinden. Die waren zwar auch französisch, aber sie sagten nichts aus. Sie waren nur Satz- und Zeitfüller. Es waren so Füllwörtern, die man ohne zu denken sagen kann, damit man währenddessen überlegen kann, was man als nächstes sagt. Nur dass bei mir danach nichts kam.

Es gibt Momente, da entdecke ich ein ganz ähnliches Phänomen in meiner Art, Lobpreis zu machen. Ich singe Lieder voller Inbrunst, aber eigentlich merke ich gar nicht, welche Worte ich tatsächlich singe. Ich singe sie wie Floskeln, wie Füllwörter, während ich mit meinen Gedanken ganz woanders bin. Es sind Worte voller Hingabe und Leidenschaft, aber ich singe sie nicht in diesem Sinn. Ich bekenne in diesen Liedern, dass Jesus Herr ist, alles in seiner Hand ist, niemand wie er ist, usw. – aber ich beschäftige mich mehr mit der coolen oder uncoolen Melodie oder überlege, was ich noch alles vorhabe, wenn ich wieder zuhause bin. Ganz anders geht es dem, der folgende Verse schrieb:

Lobt Gott in seinem Heiligtum, lobt ihn in seiner himmlischen Wohnung! Lobt ihn für seine mächtigen Taten, lobt ihn in seiner unvergleichlichen Grösse! Lobt ihn mit dem Klang der Posaune, lobt ihn mit Harfe und mit Zither! Lobt ihn mit Tanz und Tamburin, lobt ihn mit Saiteninstrumenten und Flöten! Alles, was atmet, lobe den Herrn! (Psalm 150)

Von dieser Begeisterung möchte ich mich anstecken lassen! Hier war offensichtlich einer bei der Sache. Das will ich auch. Ich will Gott bewusst anbeten. Nicht, indem ich krampfhaft versuche, jedes vielleicht jetzt grad für mich unpassende Wort zu meiden, sondern indem ich darauf achte, dass mein Herz dabei ist. Manchmal hilft es mir, beim Singen auszusetzen und den Liedtext für mich durchzulesen. Manchmal hilft es mir, Wörter mit meinen Händen zu untermauern. Manchmal hilft es mir, sitzen zu bleiben.

Ich möchte im Lobpreis nicht die Emotionen anbeten, sondern Gott. Und zugleich will ich die Anbetung nicht auf Worte reduzieren. Ich möchte auch beim Beten mich nicht hinter gut klingenden Sätzen verstecken, sondern mein Herz die Worte formulieren lassen, die mich echt beschäftigen. Mit meinem Leben will ich Gott anbeten. Mit allem, was ich tue. Und so wird das Leben selbst zu einem Lobpreis – und hat mit unnötigen Satzfüllern (hoffentlich) nichts mehr zu tun.

Und wer weiss, wenn wir als Leitende unseren Lobpreis bewusster gestalten, vielleicht werden wir damit ja auch für unsere Jugendlichen zum Vorbild. Zum Vorbild darin, einen ehrlichen Zugang zu Lobpreis zu finden.

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Josias Burgherr

Leiter Young Generation

Josias ist verheiratet, lebt im Aargau und hat vier Kinder. Er fördert und unterstützt als Leiter Young Generation die Bereichsleiter Kinder-, Teenie- und Jugend. Sein Herz brennt dafür, dass Kinder und Jugendliche die Liebe Gottes erleben dürfen. Neben Young Generation schreibt und gestaltet er als Leiter Kommunikatin für die Viva Kirche Schweiz.

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