Sag nicht: «Das geht bei uns nicht!» Als wir um die Jahrtausendwende den KIDS TREFF vorgestellt haben gab es in verschiedenen Gemeinden Stimmen, die meinten: «Das geht bei uns nicht!» - «Da haben wir viel zu wenig Räume!» - «Da haben wir viel zu wenige Mitarbeiter/innen!» Sehr schade, denn damit war die gute Idee schon gestorben, bevor überhaupt das Denken dafür einsetzen konnte. Macht das nicht. Beginnt zu träumen: «Nehmen wir an, wir machen dies oder das. Wie würde es aussehen, wie könnte es umgesetzt werden, was wären die Ressourcen, die wir bräuchten, wer könnte uns helfen usw.» Wenn ihr den Traum durchgeträumt habt, dann könnt ihr immer noch entscheiden, ob ihr es umsetzten wollt – aber bitte nicht vorher! Meine Erfahrung ist: überraschend viel ist möglich, wenn man das Ganze durchdenkt und «wenn man wirklich will!»
Schulungswochenenden und Ausbildungswochen im Bereich Kinder
Ende der 1980er Jahre war von Internet noch weit und breit nichts zu sehen. Das Natel (mobiles Telefon) machte gerade die ersten Schritte, hatte nicht selten die Grösse einer Schuhschachtel und brachte mehrere Kilogramm auf die Waage. Zu der Zeit gab es im Kinderbereich zwei Mitarbeiterhilfen für den Bereich Sonntagsschule. Die Ausbildung oder Weiterbildung der ehrenamtlichen Mitarbeiter geschah nicht selten in Wochenenden oder ganzen Schulungswochen. Nun, das ist heute gar nicht mehr nötig – wir haben verschiedenste Mitarbeiterhilfen, wir haben das Internet, wir haben Google. Was ging denn da verloren? Wir haben optimieren können. Ging da etwas verloren? Ich bin der Meinung: Ja. Die Zeit dazwischen, die Zwischenzeit, der Austausch miteinander und das Lernen voneinander ging bei all den Neuerungen oft verloren.
Ein Gewinn für die Zukunft und das ganze Team könnte sein, wenn ihr als Team euch Zeit nehmt für:
- Ein Wochenende als Team
- Gemeinsame Aktivitäten ohne Traktanden
- Bei einer Konferenz – den Abend davor oder danach miteinander verbringen
- Nach einem geleisteten Einsatz am Sonntag sich zu einem Lunch treffen
Helferkonzept – jungen Mitarbeiter/innen eine Aufgabe geben
Mitte der 1990er Jahre ist in vielen Gemeinden aufgefallen, dass nach der Sonntagsschule das Interesse der Kinder schnell abnahm und die Eltern Mühe hatten, ihr Kinder zur Teilnahme in der Gemeinde zu motivieren. Die jungen Teens waren in der Oberstufe angelangt, hatten aber in der Gemeinde keinen richtigen Anreiz. Sie orientierten sich neu. Damals war es auch so, dass eine Mitarbeiterschaft in verschiedenen Aufgaben der Gemeinde erst etwa im Alter von 15 Jahren möglich war. Wir signalisierten den jungen Menschen: «Du bist uns sehr wichtig, aber habe noch Geduld, wir haben im Moment noch keine Aufgabe für dich.» Es wurde uns klar, das musste ändern. Eine Umfrage damals zeigte, dass etwa die Hälfte aller Teens in diesem Alter bei einer Aufgabe in der Gemeinde mithelfen würden, wenn sie könnten – wenn man sie liesse. Dazu kam die Erkenntnis, dass die allermeisten von uns, die wir in der Gemeinde eine Aufgabe wahrnehmen, schon in jungen Jahren auch Aufgaben übernommen hatten. Also starteten wir das «Helferkonzept». Ich war damals in der Gemeindeleitung einer Gemeinde und verantwortlich für die Gesamtjugendarbeit und habe das Projekt geleitet.
Bis zu einem gewissen Datum mussten alle Verantwortlichen von den verschiedensten Bereichen in der Gemeinde aufschreiben, wo sie für einen Teen eine Aufgabe bereitstellen könnten. Da war von Sonntagschule, Technik, Putz-Team, Blumenschmuck, Rasenmähen bis hin zu Lobpreis und Predigt alles eingeschlossen. Es gab kaum jemanden, der nicht angehalten war eine Aufgabe zu schaffen. An diesem Datum kamen alle interessierten Teens und die Verantwortlichen zusammen. Die verschiedenen Aufgaben wurden vorgestellt und die Teens konnten wählen, wo sie Interesse hatten. Es war für Teamleitungen nicht erlaubt, schon Vorselektionen zu machen. Ein Jungschi-Hauptleiter durfte also nicht seine eigene Tochter vor diesem Treffen als neue Jung-Mitarbeiterin verpflichten oder Zusagen machen. Alle Interessierten sollten die gleichen Chancen haben.
Aus heutiger Sicht waren wir vermutlich zu streng oder haben es etwas übertrieben. Grundsätzlich bin ich aber noch immer der Überzeugung, dass wir unseren jungen Leuten in der Gemeinde Aufgaben und Verantwortung geben müssen.
Für unseren Mitarbeiternachwuchs ist wichtig, dass:
- sie früh in der Gemeinde mithelfen können
- wir uns überlegen, wo Aufgaben sind
- wir wissen, dass die junge Generation Verantwortung will – nicht nur GANGO sein
- wir uns bewusst sind, dass die Konkurrenz gross ist – wenn wir nicht Aufgaben bereitstellen, werden die Jungen sie sonst irgendwo finden
KIDS TREFF – der attraktive Kindergottesdienst am Sonntag
Gegen Ende der neunziger Jahre waren immer mehr Mitarbeiter zunehmend überfordert bei der Gestaltung des Kindergottesdienstes. Das könnte auch mit der Schulreform zusammenhängen, die an den öffentlichen Schulen durchgeführt wurde. Die Kinder wurden in den Schulen immer mehr angehalten Gruppenaufgaben zu lösen und auch eigenständig zu arbeiten. Der Frontalunterricht nahm ab. Es waren grosse Veränderungen im Gange und das hatte Folgen auf das Verhalten der Kinder am Sonntag. Es waren zwei Schwerpunkte, die geändert werden sollten: Die Beziehung zu den Kindern sollte verbessert und die Belastung der Mitarbeiter/innen musste verringert werden.
Im Rahmen einer Studienreise nach Chicago habe ich in der WillowCreek Gemeinde genau diese Punkte angepasst entdeckt. Nur, diese Gemeinde betreute an einem Wochenende ca. 3000 Kinder. Wie sollte das in der Schweiz mit Angeboten für 10 bis 20 Kinder umgesetzt werden? Zusammen mit Kollegen aus anderen Gemeindeverbänden haben wir das Modell angepasst und auch in einer Gemeinde in der Schweiz erprobt. Ab dem Jahr 2000 wurde das KIDS TREFF Modell in verschiedenen Gemeinden eingeführt. In vielen Gemeinden wurde das neue Modell mit Interesse aufgenommen und ausprobiert. Es gab auch Widerstand, weil manche Leiter/innen oder Gemeindeleitungen diese Modelländerung nicht sehen konnten oder nicht bereit waren zusätzliche Mitarbeitende in diese Aufgabe zu stellen. Natürlich war klar: «Wenn wir Verantwortung und Aufgaben auf mehrere Schultern verteilen wollen, dann braucht es mehr Schultern.» Es ist auch eine Frage der Prioritätensetzung im Gemeindebau. Erfreulicherweise gab es bald von Kinder- und von Elternseite positive Echos. Manche Kinder wollten am Sonntagmorgen unbedingt im KIDS TREFF dabei sein und sie mussten nicht von den Eltern in die Gemeinde «geschoben» werden.
Rückblickend würde ich diese Veränderung wieder anpacken – allerdings wohl mit einer anderen Priorisierung. Wir haben die Umstellung prioritär über die Struktur eingeführt und nicht über Werte. Die Werte wirklich gepuscht haben wir erst beim 10-jährigen Jubiläum. Da würde ich im Rückblick ein anderes Vorgehen wählen. Die Struktur hat sich im Laufe der Jahre etwas angepasst und vielerorts leicht verändert, die 10 KIDS TREFF Werte sind noch heute in jedem Kindergottesdienst zentral (siehe kidstreff.ch).
Die einzige Konstante im Leben und auch in Organisationen (Gemeinden) ist die Veränderung. Worauf sollten wir in solchen Abläufen achten:
- Finde heraus, wo der Schuh drückt, wo Mangel herrscht
- Nur wo ein Vakuum besteht, gibt es auch Offenheit für etwas Neues
- Veränderung muss einen Mehrwert bringen
- Schau auf Werte und nicht auf Struktur oder Tradition
Hans Forrer
ehem. Bereiche Kinder und ORANGE LEBEN